Ebenezer Scrooge – Ein Weihnachtsballett inspiriert von Charles Dickens

Heiligabend im London des neunzehnten Jahrhunderts – Dort lebt der für seine Kaltherzigkeit und seinen Geiz gefürchtete Geschäftsmann Ebenezer Scrooge (getanzt von Kai Mismahl). Während auf den Straßen fröhliche Gesänge erklingen, festliche Dekoration zu bestaunen ist und die Güte der Menschen sichtbar wird, scheint der Zauber der Weihnacht den erhärteten Scrooge nicht zu erreichen.
Um dem „Humbug“ zu entkommen, flüchtet er sich in die Arbeit in seinem Kontor. Sehr zum Leidwesen seines gewissenhaften Buchhalters Bob Crachit (getanzt von Kathrin Littek), der fürchtet unter den Sonderaufträgen seines Herren das Weihnachtsfest mit seiner geliebten Familie zu verpassen. Nach einem anstrengenden Arbeitstag schickt der Kontorbesitzer schließlich seinen Angestellten nach Hause. Verärgert über die weihnachtliche Gefühlsduselei um ihn herum, geht Scrooge zu Bett.
Als die Uhr Mitternacht schlägt erscheint ihm sein verstorbener Geschäftspartner Jacob Marley (getanzt von Michelle Kalinicenko). Dieser führte, ebenso wie Scrooge, ein Leben, in dessen Zentrum das Erreichen von Einfluss und Reichtum standen. Der Tote ist gebunden durch schwere meterlange Ketten, an denen er seine Sünden sich führt. Marley erklärt, dass diese ihn davon abhalten weiterzuziehen und Frieden zu finden - ein Schicksal, das auch Scrooge bevorstehe. Dies werde ihm noch in dieser Nacht durch das Erscheinen dreier Geister, welche ihm Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zeigen, deutlich werden. Verängstigt, aber auch verärgert über den von Marley vorgetragenen „Humbug“ findet Scrooge in einen unruhigen Schlaf.
Zur ersten Stunde schreckt er erneut auf: Der Geist der vergangenen Weihnacht (getanzt von Lena Westermann) erscheint. Dieser führt den griesgrämigen Geschäftsmann in seine Kindheit zurück. Auf dem Schulhof erleben sie, wie der junge Scrooge (getanzt von Olivier Bertrand) als aufgewecktes Kind das Lernen und Wissen liebt. Die Schule ist für ihn ein Ort, an dem es stets neues zu verstehen gibt. Leider teilen die anderen Kinder seinen Eifer nicht und spielen daher lieber ohne den ernsten Jungen, dessen Gesicht meist hinter einem Buch verborgen ist. Scrooge erinnert sich an diese Zeit, die ihm zum ersten Mal zu verstehen gab, dass Ehrgeiz und Strebsamkeit nicht von allen geteilt werden und ihn bereits als Jungen von seinen Schulkameraden und Kameradinnen entfernt haben. Ein Stich der Einsamkeit bleibt zurück als der Geist der vergangenen Weihnacht in weiterführt. Sie blicken in eine Zeit, in welcher der junge Scrooge glaubte das Glück gefunden zu haben. Er durchlebt die erste Begegnung mit seiner großen Liebe Belle Beauford (getanzt von Lina Riedel). Belle liebte den stets neugierigen und ehrgeizigen Scrooge, welcher hohe Ansprüche an sich selbst und andere stellte. Ein gemeinsames Leben schien in ihrer Zukunft zu liegen. Der junge Scrooge setzte sich mit all seiner Kraft dafür ein, Belle den Komfort und den Luxus bieten zu können, welchen sie in seinen Augen verdiente. Doch die viele Arbeit und ständige Rastlosigkeit entzweiten die Liebenden, so dass Belle der gemeinsamen Zukunft schweren Herzens den Rücken kehrte. Scrooge blieben das Geld und der Einfluss, welchen er durch seine harte Arbeit errungen hatte. Fort waren jedoch Geborgenheit und Liebe. War dies seine Entscheidung gewesen? Wäre Scrooges Herz weniger kalt, wenn sein Ehrgeiz Raum gelassen hätte für Liebe und Zuneigung?
Zur zweiten Stunde erscheint ihm der Geist der gegenwärtigen Weihnacht (getanzt von Annibel Eggert). Dieser zeigt Scrooge die Welt in all ihren schönen und traurigen Facetten. Der kaltherzige Scrooge beobachtet, wie die Familie von Bob Crachit das Weihnachtsfest begeht. Der eiserne Geschäftsmann ist entsetzt über die ärmlichen Verhältnisse der Familie. Könnte er durch seinen Geiz und seine Ansprüche an seinen Angestellten hierfür verantwortlich sein? Tief bewegt beobachtet er auch das Schicksal des kleinen Tiny Tim, des jüngsten Sohnes der Crachits. Dieser hat, durch die ärmlichen Lebensumstände bedingt, eine Gehschwäche. Mit starkem Willen und Lebensmut kämpft sich der kleine Junge durch sein von Schmerzen gezeichnetes Leben. Seine Familie schenkt ihm Kraft durch ihre Zuneigung, kann sich jedoch keine Behandlung für ihren kranken Sohn leisten. Zerrüttet durch das schwere Schicksal der Crachit-Familie wird Scrooge vom Geist der Gegenwärtigen Weihnacht zu einem weihnachtlich geschmückten Ballsaal geführt. Er blickt in viele bekannte Gesichter – Nachbarn und Nachbarinnen, Geschäftskontakte, Cousinen und Cousins. Bei Speis und Trank erfreuen sich alle an der festlichen Stimmung, den stimmungsvollen Klängen und der gemeinsamen Zeit. Zum ersten Mal seit langem fragt sich Scrooge, ob auch er Teil eines Festes, nein, einer Gemeinschaft sein könnte. Ist es die Einsamkeit, die sein Herz so hart hat werden lassen?
Zur dritten Stunde schreckt Ebenezer Scrooge erneut aus dem Schlaf. Ein weiterer Geist erscheint ihm – der Geist der zukünftigen Weihnacht (getanzt von Vanessa Rolfsmeier). Scrooge spürt, dass ihn Schreckliches erwartet, kann sich jedoch nicht wehren als er aus seinem sicheren Schlafzimmer in die Welt der Geister entführt wird. Mit Grauen erkennt Scrooge, dass er sich auf dem Friedhof wiederfindet. Die Dunkelheit scheint allumfassend. Der Geist der zukünftigen Weihnacht zeigt ihm ein Grab, dass durch ein schlichtes Holzkreuz gekennzeichnet ist. Eine Familie ist davor zu erkennen, in tiefer Trauer versunken. Beim Näherkommen erkennt der Kontorbesitzer seinen Angestellten und dessen Frau sowie deren Kinder. Mit einer schrecklichen Ahnung stellt er fest, dass Tiny Tim nicht bei ihnen ist. Ein Blick auf die Inschrift des Kreuzes bestätigt es: „Hier ruht Tiny Tim Crachit!“. Der Schmerz der Familie vor ihm scheint grenzenlos. Hätte er, Ebenezer Scrooge, dies durch ein höheres Gehalt, ein wenig Mitgefühl verhindern können? Die Schuld verschluckt ihn ebenso wie die alles umfassende Dunkelheit, die sich plötzlich um ihn herum ausbreitet. Ein weiteres Grab gerät in seinen Fokus: Die Gravur erschüttert ihn zutiefst: „Ebenezer Scrooge“. Der prunkvolle, aber verwaiste Grabstein wirkt als habe er seit seiner Aufstellung keine Besuche mehr erhalten. Die Erkenntnis trifft ihn unvermittelt – auch im Tod bleibt er allein. Die Leben, die er berührt hat, wurden nicht zum Besseren verändert. Seine Habgier und seine Kaltherzigkeit hinterlassen nur Schmerz in seinem Umfeld. Nichts davon bleibt über seine Lebenszeit hinaus. Scrooge erkennt: Es ist Zeit sein Leben zu ändern!
Der Morgen bricht an, London erwacht. Ebenezer Scrooge springt aus dem Bett. Vergessen ist sein Gram, sein Geiz und auch kurzzeitig sein Alter, als er, gepackt von einer nie gekannten Lebensfreude, tanzend auf die Straße tritt. Die Stadtgemeinschaft ist verwundert über den veränderten Geschäftsmann. Erstaunt beobachten sie, wie er Tiny Tim zusichert für die Behandlung seiner Gehschwäche aufzukommen und wie er Bob Crachit zu seinem neuen gleichberechtigten Partner im Kontor macht. Glücklich wie lange nicht und mit der Erkenntnis die Welt durch Güte und Mitgefühl verändern zu können, kann Scrooge seinen Augen nicht trauen: Dort in der Gasse zwischen den Häusern steht Belle – seine erste und einzige Liebe. Die Gewissheit, in ihm doch den Mann zu erkennen, in den sie sich einst verliebt hatte, steht in ihren Augen. Beide fallen sich in die Arme und können das Glück ihres Wiedersehens kaum fassen.
Ein weiteres Weihnachtsfest in London nimmt seinen Lauf. Sein Zauber zeigt sich in jeder Gasse, hinter jedem Fenster und in den Gesichtern der Menschen. Denn sie sind es, die durch ihre Handlungen, Entscheidungen und Worte den Geist der Weihnacht ausmachen. Mitgefühl, Warmherzigkeit und Großzügigkeit sind die wahre Magie jedes Weihnachtsfestes.
Verfasst von: Vanessa Rolfsmeier

Rollen
- Ebenezer Scrooge: Kai Mismahl
- Erzähler: Björn Bergs
- Der junge Ebenezer Scrooge: Olivier Bertrand
- Jacob Marley: Michelle Kalinicenko
- Geist der vergangenen Weihnacht: Lena Westermann
- Geist der gegenwärtigen Weihnacht:Annibel Eggert
- Geist der zukünftigen Weihnacht: Vanessa Rolfsmeier
- Bob Crachit: Kathrin Littek
- Tiny Tim: Lena Rosenfeld
- und viele mehr...